Initiatorin und Projektleiterin
Prof. Mag. Elfriede Schweiger Mas

„MENSCHEN SIND MEIN LEBENSELIXIER.“
Gespräch mit Elfie Schweiger

Seit vielen Jahren führt Elfie Schweiger (neben der Mathematik) Menschen in die Welt der Musik und des Theaters ein. Schon bei tausenden Jungen Freunden der Salzburger Festspiele, Theaterfreunden des Salzburger Landestheaters, Jugendlichen hat sie dafür gesorgt, dass „mein eigenes Feuer in den jungen Seelen weiterbrennt“.

Welche Rolle haben die schönen Künste in Ihrem Elternhaus gespielt?

Mein Vater war Maurer und meine Mutter Buchhalterin. Beide wären gerne Lehrer geworden, bei beiden wurde nichts daraus: bei meiner Mutter, weil sie ein Mädchen war, und bei meinem Vater aus finanziellen Gründen. Aufgewachsen bin ich mit meinen drei jüngeren Geschwistern in einer 1-Zimmer-Küche-Wohnung im 10. Bezirk in Wien. Den Eltern war es immer wichtig, dass wir Kinder gute Bücher bekamen. Das war immer ein großer Tag für meine Mutter, wenn der Donauland-Büchervertreter vor der Tür gestanden ist. Als Volksschülerin sah ich Vorstellungen im Theater der Jugend, vor allem Opern. In den katholischen Privatschulen, die ich besuchte, wurde viel Wert auf umfassende Bildung gelegt. Als Jugendliche habe ich mich dann selbst um Theaterkarten gekümmert. Wann immer es ging, habe ich mir eine Stehplatzkarte gekauft. Mein Vater hat sich schließlich vom Maurer zum Bautechniker hochgearbeitet. Er war bei der Firma Porr angestellt und zeichnete mit einem Kollegen die Statikpläne des Großen Salzburger Festspielhauses. Ich finde es schön, dass sich hier irgendwie der Kreis schließt.

Gab es in Ihrer Kindheit oder Jugend ein besonderes Erlebnis, das den Grundstein für Ihre Liebe zu Musik, Theater und Oper gelegt hat?

Die Wagneropern, dirigiert von Karajan in der Staatsoper, gehören mit zu den größten Musikerlebnissen in meiner Jugend. Aber auch die Aufführungen, die ich vom Stehplatz aus, im Wiener Burgtheater und Volkstheater gesehen habe, sowie die Jeunessekonzerte im Wiener Musikverein mit dem Pianisten Alfred Brendel.

Sie unterrichten Mathematik und Physik – wird da nicht genau die andere Gehirnhälfte angesprochen? Wie bekommen Sie die Aktivitäten beider Hirnhälften unter einen Hut?

Mein großes Vorbild ist da mein Mann, der Wissenschaftsmathematiker ist und immer sagt: „Für Mathematik braucht man viel Phantasie.“ Und die ist ja auch der Grundstein für jede Kunsterschaffung. Es ist bekannt, dass viele Naturwissenschaftler auch eine Affinität zur Musik haben.

Könnten Sie die Zeit zurückdrehen, würden Sie heute nach der Matura an einer Kunstuniversität studieren?

Ich würde es nicht mehr ausschließen. Ja, heute würde ich mir das zutrauen und es würde mir auch Spaß machen. Dramaturgie und Regie würden mich interessieren, selbst auf der Bühne zu stehen hingegen gar nicht. Andererseits habe ich schon in der ersten Klasse Volksschule gesagt, dass ich Lehrerin werde und mit den Kindern rechne. Aufsatzschreiben habe ich immer gehasst, ich weiß nicht, wer mir da ein Trauma zugefügt hat. Ich war ganz lange davon überzeugt, dass ich einfach nicht schreiben kann.

Fast 20 Jahre lang organisierten Sie gemeinsam mit der Festspielleitung ein Jugendprogramm, das seit 1996 den Namen „Junge Freunde der Salzburger Festspiele“ trägt – waren Ihre fünf Kinder Auslöser für diese Initiative?

Nein, mehr meine Schüler. Seit 1970 spiele ich mit ihnen an der Schule Theater. Ich habe gesehen, wie wichtig es für junge Menschen ist, Vielfältigkeit zu leben und nicht nur stur in eine Richtung zu denken. Es ist so wichtig, sie auf verschiedenen Gebieten zu bestärken und zu bestätigen. Und  im Theaterspielen steckt viel drinnen! Man arbeitet im Team, stärkt sein Selbstbewusstsein, kann Neues ausprobieren, in einer Rolle abheben – muss sich aber auch um so bodenständige Dinge wie Plakate aufhängen und das Geschirr für die Premierenfeier kümmern. 

Was ist Ihr ganz persönlicher Antrieb für dieses ehrenamtliche Engagement – und was die schönste Belohnung?

Ich könnte mir nichts anderes vorstellen, als mich mit  Menschen und mit Kunst auseinanderzusetzen. Es ist mein Lebenselixier, sie Anteil haben zu lassen an dem, was Kunst mir bedeutet, was interessant, herausfordend für mich ist. Das ist mein ganz persönlicher Antrieb, das kommt von innen heraus. Und dabei denke ich nicht an die Stunden, die ich investiere, sondern an das Tun in der Gegenwart, in dem so viel Freude und Erfülltheit steckt. Die Belohnung dafür ist die Gewissheit, dass mein kleines Feuer in vielen jungen und alten Seelen weiterbrennt.

Kunstvermittlung für junge Menschen muss anders aussehen als eine für Erwachsene. Was sind die wesentlichen Unterschiede?

Meiner Meinung, und auch meiner Erfahrung nach, muss sie nicht anders sein. Das erfahre ich, wenn ich mit den Freunden des Salzburger Landestheaters Projekte mache, einer Gruppe von Menschen ab 70 Jahren. Ich mache für beide Altersgruppen die gleichen Einführungsworkshops, lasse sie kleinen Szenen einstudieren und Bodypercussion machen – und bin immer wieder erstaunt, wie viel Spaß auch die Älteren daran haben. Wenn sie sich einmal getraut haben.

Kann man Menschen mit Kunst auch überfordern, oder unterschätzt man sie da?

Das kann man schon. Ich würde zum Beispiel niemanden, der noch nie in der Oper war, zu Tristan und Isolde mitnehmen. Zumindest nicht ohne eine Einführung. Ich halte die Einstellung für falsch, jemanden reinzusetzen und zu sagen: „So, das soll jetzt mal wirken.“ Es gibt natürlich Themen, die altersgemäß oder eben nicht altersgemäß sind. Ich würde ein 10-jähriges Kind nicht in jedes Theaterstück schicken. Aber man kann natürlich auch Kinder und Jugendliche auf fremde Lebensumstände hinweisen und jedes Thema zum Anlass oder zum Ausgangspunkt nehmen, um über unsere Welt zu reden und dazuzulernen. Dazu gehört auch, ihnen zu erklären, dass es oft notwendig ist, zu provozieren und Dinge überspitzt darzustellen, weil man nur so der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten kann.

Sieht, hört und fühlt ein junges Publikum anders als ein älteres? Bekommen Sie durch diese andere Wahrnehmung da manchmal noch selber ein „Aha-Erlebnis“ geschenkt?

Das würde ich schon sagen, einfach weil es noch unverformter ist, ohne Vorurteile, aber natürlich auch ohne Vergleichsmöglichkeiten. Junge Menschen, die die Zukunft noch in sich tragen, denken und fühlen nun mal anders, als Menschen die schon länger auf der Welt sind. Und ja, mir wurden schon einige Aha-Erlebnisse geschenkt. Bei Woyzeck ist es mir etwa so gegangen. Die Premiere im Salzburger Landestheater hatte ich mir alleine angeschaut und war, sagen wir mal, mäßig beeindruckt. In die nächste Vorstellung bin ich mit „Jungen Freunden“ gegangen; als ich irgendwann rüberschau’, sehe ich, dass alle drei Burschen Tränen in den Augen haben, weil sie so ergriffen waren von dem, was auf der Bühne passierte. Da wusste ich: Die sehen und fühlen etwas, was ich nicht erkenne. Die verstehen das Stück einfach anders als ich. Heute gehört Woyzeck, neben „Schlachten“, zu meinen Lieblingsstücken. Ich habe mir nach diesem Aha-Erlebnis übrigens alle weiteren Vorstellungen auch noch angeschaut. Bei der zeitgenössischen Musik ist es mir ganz ähnlich gegangen. Zu Komponisten wie Lachenmann und Nono hätte ich nie einen Zugang bekommen ohne meine „Jungen Freunde“.

„Kunst muss mich bewegen“, haben Sie einmal gesagt. Ein „Es war schön“ sei Ihnen zu wenig. Wann haben Sie das letzte Mal bei einer Aufführung geweint, gelacht – oder sich auch richtig geärgert?

Richtig gelacht habe ich vor kurzem in der GP Don Camillo und Peppone in Tecklenburg, geweint habe ich bei einem Violinkonzert mit Stücken von Karel Schimanowski unter dem Dirigenten Pierre Boulez im Musikverein und bei einer Probe von Big Fish in Gelsenkirchen, und ärgern tu ich mich eigentlich nicht – weil ich genau weiß, dass es kein Team gibt, das nicht das Beste auf die Bühne bringen will. Wenn ich mich ärgere, dann über unfähige Intendanten, die Rollen falsch besetzen oder einen Schauspielregisseur überreden eine Oper zu inszenieren und die Dirigenten, die definitiv nicht Wagner dirigieren können, für eine Wagner-Oper engagieren. Ich versuche immer, die Dinge in ihrem Kontext anzuschauen und werde deshalb mit spontaner Kritik immer vorsichtiger.

Was wünschen Sie sich von diesem Chormusical Ein Traum verändert die Welt?

Eine Aufführung
die zum Denken anregt – alle, ob auf der Bühne, hinter oder vor der Bühne
die emotional berührt
die neue Sichtweisen auf das Leben eröffnet
die Probleme aufzeigt, die viele von uns noch nicht kennen
die künstlerisch hochwertig ist
die die vielen Sängerinnen, Sänger, Musikerinnen, Musiker, Kinder und Mitwirkende als Team zusammen schweißt!

Dass viele Menschen nach der Aufführung mit gestärktem Herzen in den Alltag zurückkehren und die Gewissheit mitnehmen „Wie leben in einer guten Zeit!“ mitnehmen und dass man erkennt und spürt: Salzburg ist an diesem Tag eine besondere Stadt, eine Festivalstadt, so wie Max Reinhardt vor 100 Jahren als Begründer der Salzburger Festspiele erklärte: „Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, meine Träume zu verwirklichen.“ Einer seiner Träume war, der Stadt Salzburg Festspiele zu schenken, festliche Tage als Projekt gegen die Krise nach dem Ersten Weltkrieg, die Sinnkrise, den Werteverlust, die Identitätskrise des einzelnen Menschen, aber auch ganzer Völker.
Ein herrlicher, zeitlos gültiger, brandaktueller Gründungsauftrag.